Historie

Die Geschichte der Torgauer Geharnischten, der ältesten kurfürstlich privilegierten Bürgerwehr Deutschlands

    In einem Beistandsvertrag zur Banden- und Straßenräuberbekämpfung zwischen Torgau, Oschatz und Grimma vom Jahre 1344, wird die Torgauer geharnischte Bürgerwehr erstmals urkundlich erwähnt. Sie bestand aus allen Bürgern Torgaus, die laut Stadtordnung von 1313 zur Anschaffung von Harnisch, Helm und Waffen und zu regelmäßigen Waffenübungen verpflichtet waren. 

    Im Jahre 1542 wollte der in Torgau residierende Kurfürst Johann Friedrich das Bistum Meißen zur Abgabe der „Türkensteuer" zwingen, die der Bischof von Meißen verweigerte. Der Kurfürst ließ darum Torgaus Bürgerwehr mobilisieren, um die nächstgelegene Stadt des Bistums, Wurzen, zu besetzen. Die 128 Mann starke geharnischte Truppe - mehr waren in der Eile nicht zusammengekommen - nahm am 22. März die Stadt Wurzen kampflos ein. Den Torgauern folgten weitere Aufgebote aus dem sächsischen Kurfürstentum.

    Herzog Moritz in Dresden sah das als grobe Missachtung seiner Mitregentenrechte und rückte seinem kurfürstlichen Vetter mit 10.000 Mann und 500 Reitern entgegen. Es kam jedoch nicht zum Kampf; energische Worte Luthers an die Fürsten und die Vermittlung des Landgrafen Philipp von Hessen ermöglichten den friedlichen Abzug der Streitkräfte.

    Ostern 1542 kehrten die geharnischten „Defensioner", unterwegs allerorts mit Osterfladen bewirtet (daher die Scherzbezeichnung „Fladenkrieg"), unbeschadet nach Torgau zurück. Der Kurfürst verlieh den Beteiligten das Recht, jährlich ein Erinnerungsfest feiern zu dürfen.

    Seit 1824 wurde dieses „Auszugsfest", an dem sich im Laufe der Zeit immer mehr Traditionsvereine beteiligten, wie Schützen, Jäger und Grenadiere, nur noch aller zwei Jahre gefeiert; es war inzwischen zum großen Volksfest und zur Touristenattraktion geworden. 

    Die Geharnischten um 1880.

    Das blieb so bis 1938. Während des Zweiten Weltkrieges fielen die Feste wie bereits in früheren Kriegszeiten aus, und im Mai 1945 nahmen US-Soldaten die vor dem Schloss Hartenfels zuhauf liegenden Harnische als Kriegsbeute mit. Vermutlich war die städtische Rüstkammer aus dem Rathaus sicherheitshalber in einen Keller des Schlosses verlagert und nun geplündert worden. 

    Zu DDR-Zeiten wurde die „Geharnischte Bürger-Compagnie" verboten. Noch vorhandene Rüstungen und Waffen erhielt das Museum.

    Anlässlich der 1000-Jahr-Feier Torgaus 1973 wurde man bei der Planung des Festumzuges wieder auf die Geharnischtentradition aufmerksam. Im Festzug waren tatsächlich wieder einige Geharnischten-Reiter zu sehen. Jedoch bis zur Gründung einer „Arbeitsgruppe Geharnischte" durch Stadtratsbeschluss vergingen noch 15 Jahre.  

    Dieses Gremium konnte 1990 den „Torgauer Geharnischtenverein e.V" neu gründen. Damit war auch die Voraussetzung für die Wiederbelebung des Auszugsfestes geschaffen, das wie früher aller zwei Jahre mit gerader Jahreszahl vom Himmelfahrtstag bis Sonntag stattfindet und viele Besucher von nah und fern begeistert.

    Die Geharnischten anlässlich des Großen Zapfenstreiches 2008.